Nominierungsversammlung. Kreis-SPD hebt Bernhard Ruß auf den Schild.

08. Dezember 2013

Der Sander Bürgermeister will den Landratssessel erobern.

Sand. Das Votum der 35 SPD-Delegierten war einstimmig. Nach einer leidenschaftlichen Rede nominierten die Genossen den Sander Bürgermeister Bernhard Ruß zu ihrem Landratskandidaten. Der 59-jährige Kommunalpolitiker will den scheidenden Landrat Rudolf Handwerker (CSU) beerben und bläst zum Sturm auf das höchste Amt im Kreis. Mit Verve rief er als Teamplayer (Ruß über Ruß) seine Parteifreunde auf, ihn engagiert zu unterstützen und mit vollem Einsatz in den Wahlkampf zu ziehen.

Nachdem Kreisvorsitzender Wolfgang Brühl die Anwesenden begrüßt, ergreift der Sander Ortsvorsitzende Paul Hümmer das Wort. Seinen langjährigen Weg- und Kampfgenossen Ruß beschreibt er als aufrichtig, tatkräftig und weitblickend. Vor fast 30 Jahren als „rebellischer junger Gemeinderat“ gestartet, habe er sich zu einem – auch vom politischen Gegner anerkannten - Vollblutpolitiker entwickelt und inzwischen sein 20-jähriges Dienstjubiläum als Bürgermeister gefeiert.

Als der Eberner Unterbezirksvorsitzende Jürgen Hennemann „Jetzt beginnen die anderen zu zittern“ ins Mikrofon ruft, blüht die Stimmung förmlich auf. Der Vorsitzende der Kreistagsfraktion erinnert daran, dass erst in diesem Frühjahr im Nachbarlandkreis Schweinfurt mit Florian Töpper ein Sozialdemokrat den langjährigen CSU-Landrat Harald Leitherer aus dem Amt gekickt hat. Dieses Kunststück, ist er überzeugt, werde auch dem „idealen Kandidaten“ Ruß gelingen. Als stellvertretender Landrat und als Bezirksrat könne der eine hervorragende Bilanz vorlegen.

Die knapp einstündige Nominierungsrede des Kandidaten besticht einerseits durch authentisch-persönliche Passagen, die seine „Bodenhaftung“ belegen und andererseits dadurch, dass er kommunalpolitisch aktuelle Themen allgemeinverständlich „rüberbringt“.

Aufgewachsen in katholisch geprägten, kleinbäuerlichen Verhältnissen mit vier Geschwistern, war er ein begeisterter Ministrant. Nächstenliebe, sagt er, sei heute nötiger denn je und bedeute soziale Verantwortung - vor allem für diejenigen, die es schwer haben in unserem Land.

Und noch etwas hat ihn als junger Mensch einschneidend geprägt: der Fußball. Da habe er gelernt, was Teamgeist heiße und dass es nötig sei, sich mit aller Kraft und Energie für ein Ziel abzurackern. Wenn's sein muss, sagt das kommunalpolitische Schwergewicht, sei er einer, der sich – auf gut fränkisch - auch mal rauft. Aber hinterher müsse man sich wieder miteinander vertragen.

Der studierte Pädagoge steht zu seinen Emotionen, „die gehören einfach dazu“. Von daher verwundert es nicht, wenn er sich zu seiner lustigen und humorvollen Seite bekennt. Wer ihn kenne, wisse, wie ausgelassen er beim Weinfest oder beim Fasching sein könne. „Ich bin jemand, der gerne fest arbeitet, aber genau so gerne Feste feiert“ beschreibt er zwei markante Seiten seines Charakters.

Während seiner Rede ist unübersehbar, dass der Kampfgeist aus seiner Jugendzeit ungebrochen ist und dass der Mann mit dem Schnauzer bei der anstehenden Landratswahl nicht auf Platz, sondern auf Ziel setzt. Seit sich der Sander zu dieser - wie er selber sagt, schweren – Entscheidung durchgerungen hat, gibt er Vollgas. Auf plakative Parolen verzichtend, will er im Wahlkampf u.a. mit vier Themen punkten: Bildung, Energiewende, Breitbandausbau und öffentlicher Personennahverkehr. Er ist stolz darauf, dass er vor Jahren schon, zusammen mit dem vormaligen Zeiler Bürgermeister Christoph Winkler, kreisweit die erste Ganztagsklasse ins Leben gerufen hat. Das war in einer Zeit, als derartige Einrichtungen beim Kultusministerium noch höchst unerwünscht waren, weil sie nicht ins Familienbild der CSU passten. Dann geißelt er heftig das Bayerische Kindergartengesetz. Die Träger könnten die anfallenden Kosten nicht mehr schultern, die vorgeschriebene Regelung sei höchst bürokratisch und aufgrund der schwankenden Buchungszeiten müsse die Leitung mit dem Personal wie mit Bällen jonglieren.

Beim gerade im Haßbergkreis hochbrisanten Thema Energiewende bezweifelt Ruß, dass es die Bayerische Staatsregierung wirklich ernst damit meint. Vielmehr macht er eine Hinhaltetaktik der CSU aus. Er stellt sich vorbehaltlos hinter das geplante Projekt „WK 88“ (wir berichteten ausführlich). „Die dagegen vorgebrachten Einwände“, schimpft er, „sind doch an den Haaren herbeigezogen!“.

Um endlich vorwärtszukommen, will er neue Windräder nicht bloß in den Haßbergen, sondern auch südlich des Mains auf den Höhen des Steigerwalds. Zu solchen Maßnahmen, führte er aus, gebe es positive Beschlüsse der Gemeinderäte von Sand, Oberaurach und Rauhenebrach. Es sei widersinnig, dass man im oberfränkischen Bereich von Trunstadt/Viereth Windparks bauen könne - im benachbarten unterfränkischen Haßbergkreis dagegen nicht.

Energisch fordert der Kommunalpolitiker aus der Korbmachergemeinde den zügigen und flächendeckenden Ausbau des Brandbands für bessere Internetverbindungen. „Wenn das nicht gelingt“, wettert er, „ist das ein K.o.-Kriterium für den ländlichen Raum“. Als Landrat, verspricht er, wird er bei solchen Themen Farbe zeigen und gehörigen Druck „nach oben“ machen.

Mit Ruß' Kandidatur hat die Neuwahl des Landkreischefs im kommenden Frühjahr nochmal richtig Zündstoff bekommen. Der SPD-Mann hat seine kommunalpolitischen Qualitäten seit vielen Jahren unter Beweis gestellt. Sein Wort hat Gewicht, das erkennen neidlos auch politisch Andersdenkende an. Allenthalben hört man, dass er gut beim Volk ankommt. Bei der Versammlung bestätigt sich das: „Der Bernhard is a richtig guter Moo“ bekennt eine Bedienung im Hotel Goger mit leuchtenden Augen und kräftiger Stimme.

Zitate von Bernhard Ruß: „Fußball war mein Leben!“ „Kommunalpolitiker sind nicht die Deppen vom Land, sondern am besten vertraut mit der Wirklichkeit vor Ort!“.

Zitat von Jürgen Hennemann: „Man hat im Landratsamt in Haßfurt oft den Eindruck, dass der Landrat nicht mehr Herr der Lage ist“.

Bildbeschreibung: Bernhard ruß1: Nominierungsversammlung. Einstimmig kürten die 35 Delegierten der SPD-Ortsverbände den Sander Bürgermeister Bernhard Ruß zu ihrem Landratskandidaten. Bernhard ruß2,3: Ist das der künftige Landrat im Haßbergkreis? Leidenschaftlich warb der 59-jährige Sander Bürgermeister Bernhard Ruß für einen Wechsel an der Spitze des Landkreises. Hinter ihm prangt schon mal das Landkreiswappen.

„Willy Brandt und Heiner Schneier sind meine Vorbilder“

Sand. Im Anschluss an die Nominierungsversammlung der SPD stand unserer Zeitung der nun offizielle Landratskandidat Bernhard Ruß für ein Interview über zu seiner Person zur Verfügung.

Frage: Sie haben ein Hochschulstudium zum Gymnasiallehrer absolviert. Warum sind sie danach nicht in den Staatsdienst gegangen?

Ruß: Ich hatte die Fächerverbindung Deutsch, Geschichte und Erdkunde gewählt. Als Studienreferendar war ich in Nürnberg und Kempten. Nach dem 2. Staatsexamen wurden damals aber nur sehr wenige Absolventen in den Schuldienst übernommen, gerade mal zehn Prozent. Und da war ich halt nicht dabei. Also habe ich mir eine berufliche Alternative gesucht und habe als verantwortlicher Redakteur bei einem Zeitungsverbund in Kitzingen und später beim „Schwarzwälder Boten“ in Rottweil gearbeitet. Grundsätzlich aber denke ich schon, dass ich gut mit Menschen umgehen kann und auch einen guten Lehrer abgegeben hätte.

Frage: Gab es für Sie einen konkreten Anlass oder Grund, im Alter von 24 Jahren 1978 in die SPD einzutreten?

Ruß: Ja, den gab es. Es war eindeutig die damals sehr fortschrittliche Politik von Willy Brandt, die mich fasziniert hat. Als historisch interessierter Mensch hat mich die Aussöhnungspolitik mit den Ländern Osteuropas sehr beeindruckt.

Frage: Sie sind über lange Jahrzehnte ihrer Partei treu geblieben. Gab es in dieser Zeit auch Enttäuschungen für Sie?

Ruß: Die blieben nicht aus. Da war auf der lokalen Ebene einmal die Schließung des Bundeswehrstandortes in Ebern. Das war, nach all den anderslautenden Zusicherungen hoher Politiker vorher, einfach nicht glaubwürdig. Enttäuscht war ich schließlich auch von der Basta-Politik von Bundeskanzler Schröder.

Frage: Haben Sie politische Vorbilder?

Ruß: In der großen Politik eindeutig Willy Brandt. In der Kommunalpolitik habe ich Heiner Schneier bewundert, weil er sich leidenschaftlich für seine Ziele und Ideale eingesetzt hat. Da war ihm kein Weg zu weit. Und er hat jedem geholfen, ob der in der SPD war oder nicht.

Frage: Hat es Sie nie in die Bundes- oder Landespolitik gezogen?

Ruß: Das hätte mich schon gereizt, einmal habe ich ja auch für den Bayerischen Landtag kandidiert. Aber wenn das damals geklappt hätte, wäre ich in einer kleinen Fraktion einer übermächtigen CSU gegenüber gesessen. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich bisher als Bürgermeister, als Kreisrat und als Bezirksrat erreicht habe. Mein Wort hat Gewicht in den Gremien, darauf baue ich auch in der Zukunft.

Frage: Wen würden Sie gerne mal zum Abendessen einladen?

Ruß (lacht): Meine Frau! Aufgrund der vielen Termine sehen wir uns leider nicht mehr so oft. Ich bin ihr sehr dankbar dafür, dass Sie das alles mitträgt.

Frage: Haben Sie ein Lieblingsbuch?

Ruß: Ja, die Blechtrommel von Günter Grass. Ich lese sehr gerne Bücher, die sich mit der Geschichte befassen.

Frage: Wann und wo haben Sie ihren letzten Urlaub verbracht?

Ruß: Heuer im Juni. Da waren meine Frau und ich mit Freunden für 14 Tage auf Mallorca.

Herzlichen Dank für das Interview!

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