Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly sprach in Haßfurt über die Metropolregion und den Haßbergkreis

06. April 2014

„Wir Nürnberger sind im Umland als Kahlfresser bekannt“, sagte OB Ulrich Maly (rechts) – womit er aber keinesfalls meinte, dass die alte Reichsstadt die Partner der Metropolregion aussaugt wie ein Vampir. Links Malys Parteifreund und Bürgermeister Bernhard Ruß.

Foto: HT-Sage

Eine Stunde braucht man vom Haßfurter Rathaus ins Nürnberger und umgekehrt, hat Ulrich Maly festgestellt: Entfernungen bzw. Reisezeiten, die im Vergleich zu anderen Großräumen rund um den Planeten doch eigentlich minimal seien, wie der SPD-Politiker erkannt hat.

Viele Haßbergler wollten den Städtetagspräsidenten und Ratsvorsitzenden der Europäischen Metropolregion Nürnberg am Dienstag live erleben, darunter auch die beiden Haßfurter Bürgermeisterkandidaten Georg Hiernickel (CSU) und Günther Werner (Wählergemeinschaft).

„Wir Nürnberger sind im Umland als Kahlfresser bekannt“, sagte OB Ulrich Maly (rechts) – womit er aber keinesfalls meinte, dass die alte Reichsstadt die Partner der Metropolregion aussaugt wie ein Vampir.

Nürnberg, die mächtige alte Reichsstadt, hat nicht die Absicht, ihre Partner in der Metropolregion zu erdrücken, und seien sie noch so klein und lägen sie am entferntesten Rand. Diese klare Botschaft überbrachte am Dienstag Dr. Ulrich Maly, Nürnbergs Oberbürgermeister und Ratsvorsitzender der Metropolregion, dem Landkreis Haßberge, der sich dem Großraum schon vor Jahren angeschlossen hat, aber noch nach der Rolle sucht, die er darin spielen könnte.

Rund 500 000 Einwohner zählt Nürnberg, knapp 3,5 Millionen Menschen wohnen in der Metropolregion, die ein freiwilliger Zusammenschluss von gut einem Dutzend kreisfreier Städte und einem Dutzend Landkreise in Mittel-, Ober- und Unterfranken sowie der Oberpfalz ist. „Wir sind umgeben von lauter selbstbewussten Städten, die sich von uns nichts sagen lassen“, erklärte Maly aus der Nürnberger Perspektive. Man begegne jedem Partner auf Augenhöhe – jede Gebietskörperschaft hat in der Metropolregion die gleiche Anzahl Stimmen, nämlich exakt eine.

Ziel der Metropolregion ist es, die Vorteile der Städte mit denen der ländlichen Räume zu kombinieren und gemeinsam in die Waagschale zu werfen. Denn Maly, der als drittes großes Amt dasjenige des Präsidenten des Deutschen Städtetags ausübt, sieht zwar den Wettbewerb unter den Nationalstaaten abklingen, sehr wohl aber den Wettbewerb der Regionen auf globaler Ebene immer schärfer werden. Als Standort für Unternehmen und als Lebensraum für Menschen können sich Regionen auf Dauer nur durchsetzen, wenn sie in jeder Hinsicht attraktiv sind, also zum Beispiel auch den Ansprüchen der Bewohner an die Naherholung oder Kultur, an Bildungs- oder Betreuungsmöglichkeiten gerecht werden.

Dass die unterschiedlichen Teilräume der Metropolregion diese Aufgaben in unterschiedlichem Maße erfüllen, mache durchaus ihre Attraktivität und Stärke aus, so Maly. Ergo müsse auch niemand seine Identität aufgeben, wenn er sich der Metropolregion anschließe. Wie sehr dem Verdichtungsraum Nürnberg an einem intakten Umland gelegen ist, machte eine Zahl deutlich, die der promovierte Volkswirt nannte: „Jeder zweite Quadratmeter unserer Metropolregion ist Naturpark.“ Als Peripherie will Maly auch den Landkreis Haßberge (den bis dato einzigen unterfränkischen in der Metropolregion) keinesfalls betrachtet wissen. Er denke nicht in konzentrischen Kreisen mit einer nach außen hin abnehmenden Bedeutung. „Ich denke in Netzen und Knoten“, drückte es der 53-Jährige aus. Und in diesem Netz, das bewusst keine Außengrenzen habe, um niemanden auszugrenzen, „könnte Ihr Landkreis die Brücke in den Frankfurter Raum schlagen“, wies Maly der Heimatregion eine Aufgabe zu.

Der Sozialdemokrat, der am vorvergangenen Sonntag mit beachtlichen 67,1 Prozent als Nürnberger OB bestätigt wurde, weiß ferner um den Naherholungswert und die touristischen Attraktionen im Landkreis, auch seine Nürnberger scheinen das zu wissen, die seien im Umland ohnehin als „Kahlfresser“ bekannt, spielte Maly auf die Vorteile für die Gastronomie in seinem Wirkungskreis an.

Bürgermeister Bernhard Ruß (SDP), der ein klares Bekenntnis zur Metropolregion Nürnberg ablegte, erinnerte seinen Gast allerdings daran, dass der Landkreis noch viel mehr einzubringen hat: „Wir haben auch wirtschaftlich gesehen viel auf der Pfanne“, erklärte Ruß, und nannte unter anderem die großen und erfolgreichen Industriebetriebe ESN in Hofheim, die Fränkischen Rohrwerke in Königsberg und FTE in Ebern. Auf 100 Haßbergler kämen 36,6 Erwerbstätige, damit liege die Beschäftigungsquote im Heimatkreis über dem bayerischen Durchschnitt. Für Ruß liegt in der Metropolregion die Chance, „dass unser ländlicher Raum nicht zum luftleeren Raum wird.“ Seit langem fordert der Sander Bürgermeister die Ausdehnung des Verkehrsverbundes Großraum Nürnberg (VGN), der 2011 die Stadt Ebern erreichte, bis ins Maintal, „damit Pendler, Club-Fans oder Studenten“ komfortabel zum Beispiel nach Bamberg gelangen und niemand gezwungen ist, fortzuziehen.

Haßfurt, Coburg oder Kulmbach stünden auf auf der Agenda des VGN, versicherte Maly, doch es wird noch jahrelang dauern, bis die Anpassungen des öffentlichen Personennahverkehrs im Heimatkreis an die Tarife des VGN erfolgt sind. Wenn man künftig mit einer statt bisher drei Fahrkarten von einem Ort im Haßbergkreis bis beispielsweise Erlangen fährt, ergeben sich für die Fuhrunternehmer vor Ort sogenannte „Durchtarifungsverluste.“ Man müsse diese Verluste erst einmal berechnen und dann in den nächsten zehn Jahren abschmelzen, blickte Maly nach vorne.

Aus dem Publikum im voll besetzten Haßfurter Bürgersaal heraus wurde Maly in seiner Eigenschaft als Städtetagspräsident gefragt, was die Politik denn gegen das uneinheitliche und unkoordinierte Netz an Ladestationen für Elektromobile zu tun gedenke. Maly antwortete, dass Deutschland warten müsse, bis es einheitliche europäische Standards gibt. Er selbst bevorzuge die französische Variante des Batteriewechsels. Er glaube nicht, dass es jemals genug Ladestationen geben könne, um eines Tages Millionen E-Mobile mit Strom zu versorgen. In einem zweiten Aspekt sah Maly die Stromfahrzeuge als genauso problematisch an wie Benziner und Diesel: „Wir haben in Nürnberg 246 000 Kraftfahrzeuge, die im Durchschnitt 22 Minuten am Tag bewegt werden. Den Rest des Tages bilden sie eine riesige Blechlawine, die wir kaum unterbekommen.“

Eines machte Maly am Ende seiner Ausführungen auch klar: „Die Metropolregion ist kein Bauchladen“, aus der sich Teilräume nach Belieben etwa mit Zuschüssen bedienen könnten. „Es kommt darauf an, was Sie mit Ihrer eigenen Kraft und Ihren eigenen Ideen aus dem Modell Metropolregion machen.“ Das Landrat Rudolf Handwerker (CSU) hier einen guten Weg eingeschlagen habe, wollte Maly gerne anerkennen. Dass der Landkreis Haßberge auch unter einem Landrat Bernhard Ruß diesbezüglich in sehr guten Händen wäre, war sich der Nürnberger sicher.

Bernhard Ruß selbst betonte, dass für seinen Heimatkreis eine enge Anbindung an den Verdichtungsraum Würzburg-Schweinfurt eine ebenso große Rolle spiele wie die Anlehnung nach Nürnberg. Doch während in der Metropolregion Nürnberg gehandelt werde, werde im Westen hauptsächlich geredet und geredet.

Bericht vom unserem HT-Redaktionsmitglied Martin Sage

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