Sand. Wie in jedem Jahr veranstaltete der SPD-Ortsverein Sand am Samstag sein Sommerfest im Hümmerhof. Zu Gast hatten die Sander diesmal die Generalsekretärin der Bayern-SPD Natascha Kohnen. Den Anfang des offiziellen Teils machte der Sander Bürgermeister Bernhard Ruß, der berichtete, dass der Hümmerhof das Elternhaus seines Vaters war. „Ich war mal der jüngste Bürgermeister im Landkreis, jetzt bin ich der Dienstälteste“, sagte er. Dass er sich in einem „schwarzen Landkreis“ so lange halten konnte, zeige, dass er wohl nicht allzu viel falsch gemacht habe.
Obwohl die SPD in Bayern viele Bürgermeister stellt, werde sie nicht wahrgenommen, da es oft heiße, diese seien nur wegen ihrer Persönlichkeit gewählt worden, unabhängig von der Partei. Ruß verwies aber darauf, dass die Parteizugehörigkeit durchaus wichtig sei, da sie auch dem Kommunalpolitiker eine bestimmte „Peilung“ gebe. Gerade die SPD habe in Bayern die Bildung im ländlichen Raum vorangetrieben. „SPD-Politik wird bei uns im Land gemacht, aber die CSU tut irgendwann so, als käme es von ihr“, sagte Ruß.
MdB Sabine Dittmar sagte: „Parlamentarische Sommerpause heißt nicht, dass man sich auf die faule Haut legt.“ So habe sie die Zeit unter anderem genutzt, um sich das Krankenhaus in Hofheim anzuschauen und sich selbst ein Bild von der Situation in den Haßberg-Kliniken zu machen. Ansonsten hielt sie ihre Rede recht kurz. In Richtung des Sander Bürgermeisters, der vorher sehr lange gesprochen hatte, erzählte sie scherzhaft, dass im Bundestag jede Fraktion eine gemeinsame Redezeit hat und sagte: „Wenn der erste zu lang spricht, geht das von der Zeit der anderen ab.“
Dann kam Hauptrednerin Natascha Kohnen, die der Ortsvorsitzende Paul Hümmer als „waschechte Münchnerin“ vorstellte. Kohnen begann ihre Ausführungen mit einem Zitat des Zeiler Bürgermeisters Thomas Stadelmann, das sie kurz vorher bei dessen Rede am Zeiler Weinfest gehört hatte. Im Bezug auf die Anschläge der letzten Tage hatte Stadelmann gesagt: „Wir feiern trotzdem, wir bieten denen die Stirn.“ Darauf erzählte Kohnen davon, wie sie selbst den Anschlag in München erlebt hatte. „Ich habe München nicht wiedererkannt“, sagte sie, beschrieb die beklemmende Stimmung und die Panik, die bei vielen Menschen herrschte. Dann lobte sie den Mann, der in all dieser Panik als einziger ruhig geblieben sei: Marcus da Gloria Martins, Sprecher der Münchner Polizei.
„Und warum? Weil er Recht hatte“, sagte Kohnen. Wichtig sei nun, sich nicht von einer allgemeinen Stimmung der Angst mitreißen zu lassen. „Populisten nutzen diese Verunsicherung, gehen rein und bieten einfache Antworten“, sagte sie. „Wir hätten unsere Haltung deutlicher zeigen sollen. Wollen wir die Abschottung zulassen? Wollen wir das Wort ,Überfremdung‘ zulassen?“, fragte sie in Richtung der eigenen Partei und meinte dann: „Wir wollen ein Menschenbild, das vom Humanismus geprägt ist.“
Als besonders schlimm bezeichnete sie die Aussagen aus dem AfD-Vorstand, an den Grenzen auf Menschen schießen lassen zu wollen. Damals habe Kohnen von ihrem Sohn, der gerade ein soziales Jahr in Afrika machte, eine Nachricht bekommen, in der er schockiert fragte: „Ist es wahr, dass ihr auf Menschen schießen wollt?“ Eine weitere Nachricht habe er ihr aus Afrika geschickt, in der er sagte: „Die Menschen machen sich auf den Weg“, und anschließend deren hoffnungslose Situation beschrieben. „Wir müssen uns zurückbesinnen auf das, wofür wir stehen: Soziale Gerechtigkeit“, sagte Natascha Kohnen. Außerdem müsse die Partei besser kommunizieren, als sie es in der Vergangenheit getan hat. „Wir müssen auch darüber reden, was wir richtig machen“, sagte sie und nannte Beispiele wie den Mindestlohn oder die Gleichbehandlung von Mann und Frau.
Weiter berichtete sie, auf dem letzten Bundesparteitag habe sich die SPD auf vier Themen festgelegt, die sie künftig in den Vordergrund stellen möchte. Als erstes nannte sie das Thema Wohnen. So beklagte sie, dass vielerorts kaum bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stehe und berichtete von ihrem Besuch in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge am selben Vormittag. Hier gebe es viele Menschen, die eigentlich das Lager verlassen dürften, da sie ihre Anerkennung haben, die aber weiter dort bleiben müssen, da sie keine andere Wohnung finden. Auch wenn Deutsche in Großstädten keinen bezahlbaren Wohnraum finden, sei das ein Problem. „Neid äußert sich in Ausländerfeindlichkeit, das hat sich in der Geschichte immer wieder gezeigt.“
Das zweite große Thema sei die Arbeit. Denn gerade in der digitalen Welt verändern sich viele Arbeitsplätze sehr stark. Manche Unternehmen bräuchten bereits keine Büros mehr, da die Mitarbeiter von überall aus über das Internet arbeiten können. „Ort und Zeit der Arbeit sind nicht mehr fest.“ Aufgabe sei nun, sich auch unter diesen Umständen um die Arbeitnehmer zu kümmern.
Als drittes großes Thema nannte sie die Familie. Nach Umfrageergebnissen berichtete sie: „Die Leute sind arbeitsbereit, aber sie wollen auch Zeit für die Familie.“ Als richtige Lösung sieht Kohnen die von Familienministerin Manuela Schwesig vorgeschlagene Familienarbeitszeit. Wichtig sei auch, über eine Kindergrundsicherung nachzudenken.
Als letztes großes Thema führte Kohnen die Integration an, „das Thema der nächsten 10 bis 20 Jahre“. Auch hier ging sie noch einmal auf die Terrorangst und die Forderung konservativer Politiker nach einer Vorratsdatenspeicherung ein. Kohnen, die selbst drei Jahre lang in Paris gelebt hat, sagte: „Ich habe neben Charlie Hebdo gewohnt. Die Franzosen sammeln Daten wie blöd, trotzdem konnten sie den Anschlag nicht verhindern.“ So forderte sie: „Wir dürfen die Freiheit nicht ausspielen gegen eine vermeintliche Sicherheit.“ Außerdem sei in Frankreich sehr gut zu sehen, wie Integration nicht funktioniere. So sollten Menschen, die aus anderen Ländern kommen, nicht auf einem Haufen in den Vororten unterkommen, ohne Kontakt zur einheimischen Bevölkerung.
Zum Schluss sagte sie, die SPD habe auch mit der Großen Koalition viel geschafft, dürfe sich aber nicht „vermischen“. Sinn der Konzentration auf vier große Themen sei, dass ein „Bauchladen an Themen“ nicht weitergeführt hätte. Die SPD müsse so wieder „klare Kante zeigen“.
Von Peter Schmieder
Bildergalerie unten