Sinneswandel im Steigerwald?

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Nationalpark-Befürworter sehen für ihr Anliegen jetzt „positive Grundstimmung“

Der Steigerwald im Herbstgewand: Die Diskussionen um einen Nationalpark in seinem nördlichen Bereich reißen nicht ab.

„Nun sag, lieber Bürgermeister, wie hast Du's mit dem Nationalpark?“ Das ist die Gretchenfrage nicht in Marthens Garten, sondern im Steigerwald. Vor der Kommunalwahl im März werden die Kandidaten ihren Wählern nach 2008 ein zweites Mal offenbaren müssen, ob sie den Nationalpark befürworten oder ablehnen.

Und anders als vor fünf Jahren sieht Dr. Ralf Straußberger, Wald- und Jagdreferent beim Bund Naturschutz und Geschäftsführer des Freundeskreises Nationalpark Steigerwald, diesmal die Nationalparkkritiker unter den Lokalpolitikern unter Zugzwang. „Sie werden erklären müssen, warum sie mit ihrem Nein zum Nationalpark verhindern, dass der Freistaat Bayern Millionenbeträge in den Steigerwald in Arbeitsplätze, in Infrastruktur und in Umweltbildung investiert“, sagte Straußberger im Interview mit unserer Zeitung.

Auch werde der Wähler wohl erfahren wollen, warum so mancher Kommunalpolitiker die Lage in anderen Nationalparkregionen falsch dargestellt habe. Prominentestes Beispiel sei der Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU, Donnersdorf), der im Rundfunk behauptet habe, dass durch einen Nationalpark des Betretungsrecht eingeschränkt werde und als Beispiel den Nationalpark Hainich angeführt habe – „und das ist nachweislich falsch“, so Straußberger. Auch der „ansonsten umtriebige und findige Bürgermeister Oskar Ebert“ werde sich fragen lassen müssen, was er denn mit seiner Ablehnung für seine Gemeinde erreicht habe, die am meisten vom Nationalpark profitieren würde: Straußberger erwartet interessante Debatten.

Ansonsten kämpft der Diplom-Forstwirt aus Nürnberg unermüdlich für den Nationalpark im Steigerwald. Seit die Diskussionen über den höchsten Schutzstatus im Jahre 2007 aufkamen, haben Bund Naturschutz und Freundeskreis Nationalpark in über 500 Veranstaltungen ihre Werbetrommel gerührt, sei es bei Vorträgen, Exkursionen, Waldführungen, Seminaren, Presseterminen oder Fahrten zu den Nationalparks quer durch die Republik.

Gebetsmühlenartig wiederholen Straußberger und seine Mitstreiter immer dasselbe: Die Angst vor Zwangsenteignung sei unbegründet, sie wollen ihren Nationalpark ausschließlich im Staatsforst, mithin nur auf neun Prozent der Naturparkfläche, der als „Rahmen“ erhalten bliebe. Wanderer dürften den Nationalpark selbstverständlich betreten und hier wie anderswo Pilze, Waldfrüchte oder Bärlauch sammeln. Die Jagd im Nationalpark werde nicht eingestellt, das Bild von Felder kahl fressenden und Dörfer überfallenden Wildschweinrotten sei absurd.

Auch eine Lösung für die Holzversorgung der örtlichen Sägewerke und die Brennholzversorgung der Bevölkerung werde man finden. Für den BN ist es sowieso viel eher die Holzindustrie in Österreich, die für Rohstoffknappheit im Steigerwald sorgt, als ein Nationalpark.

All dies predigen Bund Naturschutz und Freundeskreis seit 60 Monaten wie in einer Endlosschleife – und ihre Arbeit scheint Früchte zu tragen: „Wir merken, dass immer mehr Menschen aus der Region Interesse am Nationalpark zeigen und sich darüber informieren wollen. Auf unseren Veranstaltungen im Steigerwald bekommen wir überwiegend positive Rückmeldung“, stellt Ulla Reck, Leiterin der Geschäftsstelle des Freundeskreises Nationalpark Steigerwald in Ebrach, fest.

Eine dieser Veranstaltungen fand Anfang Oktober in Eschenau statt, wo sich über 40 Zuhörer im Gasthaus Löbl versammelt hatten. Die Heimatzeitung war vor Ort und wurde Zeuge, wie Ulla Reck, Ralf Straußberger und Forstwirt Andreas Kiraly ihr Anliegen ohne jeden Widerspruch vortragen konnten – und am Ende für ihre Nationalpark-Werbung kräftigen Applaus vom Publikum bekamen. Es schloss sich eine friedliche und sachliche Diskussion an, in der sich niemand als Nationalparkgegner outete.

Auch Ralf Straußberger spürt, „dass viele Leute unseren Positionen immer mehr zustimmen“. Er hält den weitverbreiteten Eindruck für falsch, dass die Steigerwälder von Anfang an geschlossen gegen den Nationalpark gewesen sein. Das sei nur eine kleine, aber lautstarke Truppe gewesen, die Mehrheit der Menschen sei eher verunsichert gewesen, wegen der sich völlig widersprechenden Aussagen. Gerade weil sich die Naturschützer intensiv mit den Bedenken der Leute auseinandersetzten und ihnen zeigten, dass es Lösungen gibt, sei die Grundstimmung nun sehr positiv.

Bei ihrer Überzeugungsarbeit vergessen die Nationalparkfreunde nie zu betonten, dass es ihnen keinesfalls nur um den Erhalt der natürlichen Schönheit der heimischen Buchenwälder und ihrer Vielfalt an Pflanzen-, Tier- und Pilzarten geht. Ulla Reck schöpft einen Teil ihrer Motivation auch daraus, dass „durch die Prädikatsauszeichnung Nationalpark die gesamte Region wirtschaftlich einen Vorteil hätte und wieder attraktiver für junge Menschen wäre“. Auch darauf machen die Befürworter seit Anbeginn an unbeirrbar aufmerksam: Dass ihr Nationalpark den Fremdenverkehr im Steigerwald beflügeln und Arbeitsplätze schaffen würde – und das in einer Region, die ansonsten immer mehr vom Aussterben bedroht ist. Neu ist die Argumentation nicht.

Neu jedoch ist, dass Bundesumweltamt und Umweltministerium dieser Tage Bilanz gezogen und dabei festgestellt haben, dass nur 1,9 Prozent der deutschen Wälder einer natürlichen Entwicklung überlassen sind (wir berichteten). Laut Nationaler Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung sollen es bis 2020 fünf Prozent der gesamten respektive zehn Prozent der öffentlichen Wälder sein. Es ist zu erwarten, dass der politische Druck von Bund und Land, besonders wertvolle Teile des Steigerwalds aus jeglicher Nutzung zu nehmen, zunimmt.

Beim Bund Naturschutz und beim Freundeskreis ist man davon überzeugt, dass auch der Ruf aus der betroffenen Bevölkerung nach einem Nationalpark immer lauter werden wird. Für die Nationalparkgegner würde das bedeuten, dass sie nach und nach in die Zange genommen werden: Von den Steigerwäldern auf der einen und der politischen Obrigkeit auf der anderen Seite. In jedem Falle also wird es spannend zu beobachten, wie sich in den nächsten Wochen und Monaten all jene Männer und Frauen, die Gemeinderäte, Bürgermeister und Landräte werden wollen, bezüglich des Nationalparks Steigerwald positionieren.

3000 versus 16 000

3000 Mitglieder stark ist der Verein „Unser Steigerwald“, der gegen die Ausweisung eines Nationalparks kämpft. Eine starke Bank, möchte man meinen. Doch beim Freundeskreis Nationalpark Steigerwald blickt man gelassen auf die Konkurrenz. Man empfindet sie nicht als übermächtig.

In den sechs Landkreisen, die zum Naturpark Steigerwald gehören, leben rund 650 000 Menschen, stellt Ulla Reck vom Freundeskreis fest. Da machen 3000 Mitglieder gerade einmal 0,5 Prozent der Bevölkerung aus, rechnet sie vor. Vor allem aber: Nach Recks Angaben haben die Naturschutzverbände im Freundeskreis Nationalpark Steigerwald in den sechs Landkreisen 16 000 Mitglieder. Das macht dann schon 2,5 Prozent.

Quelle: Haßfurter-Tagblatt